Cyberpunk 2077 · Test
Veröffentlicht am 21.12.2020 von Andreas Erber
2077 - das gigantische Mega-Feuerwerk ohne Zündholz!?
Cyberpunk 2077 ist der am meist erwartete Titel der letzten Jahre und verpflichtet sich gerade dazu das beste Open-World-Action-Adventure Spiel aller Zeiten zu werden. Der Titel lies die Fans im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen, die Vorfreude wurde durch mehrere Verschiebungen deutlich getrübt. Ein paar Wochen später konnten die Entwickler von CD Project RED endlich den Gold-Status bekannt geben und dem endgültigen Release stand nichts mehr im Wege. Das polnische Studio hatte bereits 2015 das berühmte Videospiel "The Witcher 3: Wild Hunt" auf den Markt gebracht und zurecht unzählige Lorbeeren verdient. Der Hype wurde so groß, dass Netflix eine einzigartige Produktion in Form einer mehrteiligen Serie in die Wege leitete. Die Messlatte ist dementsprechend hoch und jetzt stellt sich die einzig wichtige Frage: Ist Cyberpunk 2077 der Mega-Hit des Jahres auf den wir alle gewartet haben und was steckt hinter dem holprigen Marktstart?
Auf der Suche nach der Unsterblichkeit
Die Handlung spielt sich in Night City einer Stadt in Kalifornien ab, in der Macht, Glamour und Modifikationen zum Alltag zählen. Die Spieler:innen schlüpfen in die Rolle von V, einem furchtlosen Söldner, welcher in der Ego-Perspektive gesteuert wird. V ist auf der Suche nach der Unsterblichkeit und um dieses Implantat zu finden muss er sein Können auf die Probe stellen und gleichzeitig neue Fähigkeiten erlernen. Hacken, der Umgang mit Maschinen sowie die Handhabung von Fernfeuerwaffen sind V's Spezialitäten. Auch Nahkampf-Fähigkeiten werden gefordert und müssen zuerst angeeignet werden. Die Mischung aus Rollenspiel, Action und Adventure machen den Titel zu einem ganz besonderen Puzzleteil in der Videogeschichte. Autofahren, Schleichpassagen und das gekonnte führen von Dialogen gehören zur Tagesordnung in Night City.
V kann sich frei in der offenen Metropole bewegen. 7 Regionen (Corporate Center, Watson, Westbrook, Heywood, Pacifica, Santo Domingo und der Außenbezirk Badlands) warten darauf von den Spieler:innen entdeckt zu werden. Egal ob zu Fuß oder mit verschiedenen Fahrzeugen, alle Mittel können nach "GTA-Manier" genützt werden. Sogar Motorräder sind mit an Board, wobei sich diese im Vergleich zu den Autos nicht so einfach steuern lassen.
Gameplay & Steuerung
Söldner V ist kein vorgegebener Protagonist und darf von den Spieler:innen selbst erschaffen werden. Geschlecht, Frisur, Gesicht und Körpertyp können frei gewählt werden und bieten eine breite Facette an Möglichkeiten. Doch auch Modifikationen und Kleidung können ausgewählt werden und beeinflussen sogar die Interaktionen mit den NPCs (non-player-character). Auch der Tag-Nacht-Zyklus sowie das dynamische Wetter beeinflussen das Verhalten der Mitmenschen. Im Dialog gibt es verschiedene Auswahlmöglichkeiten, dadurch werden auch Missionen eingeleitet. Erfahrungspunkte werden aus den Hauptmissionen gewonnen, während Nebenmissionen Fertigkeiten, Verkäufer, Orte und zusätzliche Missionen freischalten.
All diese Möglichkeiten geben Auskunft darüber wie komplex und tiefgründig das Game am Ende eigentlich ist. Tiefgründig können übrigens auch diverse Beziehungen ergründet werden, was den Charakteren Emotionen in alle Richtungen verleihen...
Charaktereigenschaften wie Intelligenz, Stärke oder Technik sowie eine persönliche Vorgeschichte des gewählten Charakters lassen sich zu Beginn festlegen und beeinflussen sogar den Spielverlauf. 3 Stories stehen dabei zur Auswahl (Streetkid, Konzerner und Nomade).
Persönlich habe ich mich für das raue und gleichzeitig idyllische Leben auf dem Land entschieden. Von dort aus beginnt dementsprechend die Story in einer altmodischen Autowerkstatt. Während mehreren Versuchen das Auto mit Hilfe eines Freundes endlich zum Laufen zu bringen, stört ausgerechnet der Sheriff den Dialog. Nach ein paar gezielten Antworten können wir die dicke Luft ohne großem Aufruhr verdrängen und den Ort problemlos verlassen. Nach einem Ferngespräch am Funkturm weißt uns das Navi ins Zentrum von Night City.
Eine gefährliche Tour beginnt.
V muss übrigens einen Ripper Doc erstellen, um Cyberware-Implantate auf Kosten von Eurodollar zu kaufen. Farben geben die Stärke und Seltenheit einer Ausrüstung an. Grün sind Standart-Ausrüstungen, violette Rüstungen gehören hingegen zu den beliebten, epischen Gegenständen. Dieses Prinzip kennt man bereits auch aus anderen Rollenspielen, beispielsweise im Destiny-Universum. Die tatsächlichen Aufwertungen halten sich jedoch sehr zurück. Wofür gibt man an, dass eine Waffe um +0,04 Punkten mehr Schaden bei einem Kopftreffer ausrichtet als vorher? Leider sind bis auf ein paar Ausnahmen alle Waffen austauschbar, sodass sich das Aufleveln eurer Lieblingswaffe kaum auszahlt. Besser ist es, wenn Spieler:innen die Punkte für neue Fähigkeiten verwenden, anstatt sie für belanglose Waffenupgrades zu verschwenden. Noch dazu dauert das Leveln von Fähigkeiten ohnehin schon lang genug, da vom Spiel einfach zu viel von den seltenen Materialstoffen gebraucht werden. Um an das Material zu kommen solltet ihr am besten sämtliche Waffen und Gegenstände in der Welt von Cyberpunk looten. Meist bekommt man zwar die selben Items in einer nur anderen Zusammenstellung, doch so erringen die Spieler:innen genug Material in dem sie die unnützen Waffen zerlegen. Den Spieler:innen verlangt dies viel Geduld und Fleiß ab.
3 Waffentypen und keine dieser gleicht der Anderen. Power (Standart), Tech (Kugeln durchdringen Wände) und Smart (zielsuchende Geschosse), all diese Varianten gilt es sinnvoll einzusetzen und grafisch sehen diese Anwendungsmethoden einfach fantastisch aus. Waffen-Modifikationen lassen sich dann noch zusätzlich anpassen. Durch den Reflexverstärker beispielsweise lässt sich die Zeit verlangsamen, was vielen als Bullet Time bekannt sein dürfte.
Ein weiterer taktischer Aspekt ist das Scannen von Gegnern, was Auskunft über die Verwundbarkeit gibt. 4 Arten von Schäden können den Gegner zugefügt werden: Thermischer, Physischer, Elektromechanischer und Chemische Impulse.
Nichts hält ewig! Kaputte Waffen lassen sich beim Waffenmeister reparieren und bei Bedarf verbessern. Schnell wird klar, dass die Entwickler von Cyberpunk viele kleine Details eingebaut haben, die es auch in der Realität zu beachten gilt. Auch in Spielen wie "Red Dead Redamption 2" kommen diese feinen Phänomene vor und unterstreichen den Bezug zum realen Leben. Als gutes Beispiel zu RDR2 lässt sich der Verschleiß der Waffen heranziehen. Wenn der Revolver nicht mit einem speziellen Öl geputzt wird, streuen die Kugeln spürbar und gezielte Treffer werden zum Glücksfall. So enthält auch Cyberpunk solch realistische Anmutungen.
Vom staubigen Western wieder zurück nach Night City. Zu den Bewegungsabläufen gehören neben Laufen, Rennen und Schleichen auch Sprünge sowie Doppelsprünge dazu. Auch Wände können durch sogenannte "Armklingen" überwunden werden. Die Herangehensweise ist dadurch äußerst vielseitig, was der Abwechslung im Gameplay zu Gute kommt.
Die Kampfhandlungen selbst gehen äußerst flüssig und realitätsnah von der Hand. Die genannten Gameplay-Variationen sind nicht immer perfekt zu Ende gedacht. So kann zwar eine Mission im Schleichmodus bewältigt werden, doch ist einer leiser Angriff von der Seite leider gar nicht so einfach. Die Tötungsaktionen sind nur ab einem gewissen Winkel durchführbar, was den Spielspaß leicht ausbremst.
Fahrzeuge lassen sich in der Ego- als auch in der Third-Person-Ansicht steuern. Autonome Autos erhalten in Cyberpunk untypisch den Ruf als "Sinnvollstes Feature"! Während der Fahrt lässt es sich einfach sorgenfreier, wenn es zu einer Schießerei kommt. Beachtet übrigens, dass es auch Zivilisten gibt, die unbewusst auch mal ganz schnell überfahren werden könnten. Das Spiel vergisst geschehene Vorfälle nicht so schnell, als man denkt.
Wenn das Reisen zu anstrengend wird, wird kurzerhand in einer der käuflichen Wohnungen eine kleine Pause eingelegt. Am dort befindlichen Computer werden neue Infos eingeholt, der Kleiderschrank lädt zum optischen Experimentieren ein und das Waffenarsenal sollte stets überprüft werden. Das Zuhause ist sozusagen die Hauptbasis in Night City.
Das Spiel beinhaltet verschiedene Enden und wichtig zu Wissen ist, dass Missionsfehlschläge nicht zum klassischen "Game Over" führen. Stattdessen verändert sich die Handlung durch jede Art von Beendigung einer Mission, egal ob positiv oder negativ. Dies führt zu einem dynamischen Spielverlauf.
Es soll auch einen Mehrspieler-Modus geben, dieser erscheint jedoch etwas später, was vielleicht in Anbetracht der mäßigen Technik auf der älteren Konsolen-Generation eine mehr als gute Entscheidung war. Mikrotransaktionen einzubinden wird sich, durch den misslungenen Marktstart, als eher schwierig erweisen. Da können nur noch jede Menge kostenlose DLCs das technische Debakel ausmerzen. Doch wie kam es zu solch massiven Schwierigkeiten in der Technik?
Grafik & Sound
Cyberpunk 2077 läuft mit der hauseigenen REDengine 4 und sieht auf den ersten Blick enorm hübsch aus. Vor allem auf dem PC gibt es nichts auszusetzen. Doch auf den alten Konsolen (PS4 und Xbox One) läuft irgendwie so gar nichts rund. Da kann auch der Schauspieler Keanu Reeves, welcher in einer der Hauptrollen schlüpft, nichts daran ändern. Das Spiel entpuppt sich als Desaster. Nach all den lobenden Zeilen und vielschichtigen Möglichkeiten, die das Spiel bietet, müssen wir dem Spiel in technischer Hinsicht ein dickes Minus eintragen. Ein wahrer Shittstorm breitet sich im Netz aus, was sogar zum Verkaufsstop der digitalen Version im PlayStation Store führte. Selbst physikalisch erworbene Exemplare können je nach Händler zurückgegeben werden. Doch muss das alles sein?
Die für uns zur Verfügung gestellten Promo läuft auf der neuen PlayStation 5 relativ stabil. Zwar schleichen sich ab und an ein paar ärgerliche Grafikbugs ein, die teilweise auch das Weiterspielen behindern können, doch kann sich die Grafikpracht auf den neuen Konsolen-Generationen sehen lassen. So richtig aufblühen wird das Spiel ohnehin erst 2021, wenn das kostenfreie PS5/XboxSeriesX Upgrade auf den Markt kommt. Spätestens dann sollten sämtliche Bugs der Vergangenheit angehören.
Unser Tipp: Bitte gebt das Spiel nicht zurück! Inhaltlich bietet der Titel ein enorm hohes Potential, welches sich mit jedem Update bzw. Patch stark verbessert. Gebt den Entwicklern eine Chance. Sie haben es sich vor allem währen der Corona-Pandemie verdient! Vielen Dank für euer Verständnis!
Grafisch gibt es enorm viele Details zu bestaunen. Jeder noch so unbedeutende Gegenstand wurde mit viel Schweiß gestalten und ins Spiel übersetzt. Egal ob Charaktere, Landschaften, Fahrzeuge oder Waffenmodelle. Alles sieht verdammt gut und beinahe fotorealistisch aus. Nur die teilweise starken Farbpaletten, erinnern den Spieler daran, dass es sich um ein Videospiel handelt. Mit dem kommenden Grafikupgrade für die Nextgen-Konsolen wird ein spürbarer Grafik-Sprung erwartet.
Bedeutend weniger Kummer und Sorgen bereitet uns der Sound in Cyberpunk. Allen voran überrascht die deutsche Sprachausgabe, die der Story durchaus Leben einhaucht. Auch nicht von schlechten Eltern sind die Soundeffekte, welche vor allem beim Schusswechsel oder auch im Nahkampf zur Geltung kommen. Doch auch Umgebungs- und Motorengeräusche wurden perfekt aufgenommen und gekonnt ins Spiel transferiert.
Der stimmige Soundtrack enthält Musik von Marcin Przybyłowicz und weiteren lizenzierten Künstlern. Schleich- und Kampfpassagen werden durch passend ausgewählte Titel mit Bravour unterstützt.
Fazit
Es hätte alles so wunderbar sein können, doch leider hatte Cyberpunk 2077 nicht den verdienten Start, den sich die Entwickler erhofft hatten. Performance-Probleme vereiteln, vor allem auf den älteren Konsolen, einen reibungslosen Marktstart. Doch kein Gamer sollte den Kopf hängen lassen und das Spiel einfach zurückgeben. Immerhin gibt es inhaltlich einfach keinen Grund dazu. Sicher hat das ewige Warten auf Updates jeder Leid, doch versprechen die Entwickler schnell Besserung und genau deshalb sollten wir Gamer dem Studio eine Chance geben. Story, Gameplay, Grafik und Sound sind im Grunde eine Symphonie in diesem Stück Software. Cyberpunk beweist bereits jetzt auf einem Hightech-PC oder den Nextgen-Konsolen wie ein aktuelles Videospiel auszusehen hat. Spätestens mit dem kostenfreien Upgrade für die PS5 und Xbox Series X wird alles besser und die letzten Zweifel an Cyberpunk sind danach vergessen. Die Entwickler haben den Spielemarkt neu belebt und das ist heutzutage eine hohe Kunst. An alle Early-Adopter des Spiels: Viel Spaß in einer gänzlich neuen Art von Videospiel!
Pro
- eine enorm große Spielwelt mit vielen Details
- durchdachte Charaktere mit Hintergrundgeschichten
- spannende Schleich- und Kampfszenen
- gelungene deutsche Sprachausgabe
- dynamischer Spielverlauf mit verschiedenen Enden
- perfekter Sound
- verdammt gute Grafik mit verblüffenden Settings und enorm scharfen Details, ABER...
Contra
- ...leider technisch auf den älteren Konsolen eine Katastrophe
- Nextgen-Upgrade erst 2021
- Spieler müssen für ein flüssiges Spielvergnügen einige Updates abwarten
- viele Spielmöglichkeiten, die jedoch beim genaueren Hinsehen nicht perfekt sind
- vor allem Schleichpassagen haben so ihre Tücken
Wertung
9.0 Sehr gut
Kaufempfehlung
20%Nicht für Jeden geeignet
Getestet wurde Cyberpunk 2077 auf PS5 von Andreas Erber. Das Spiel lag uns zum Zeitpunkt von unserem Test in Version 1.05 vor. Das Test Exemplar / der Review Code für Cyberpunk 2077 wurde uns von Bandai Namco Entertainment Europe kostenlos zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!