Wartile · Test
Veröffentlicht am 24.03.2020 von Leif Langsdorf
Fantastischer Tabletop-Brettspiel-Mix mit gnadenlosen Wikingern
Playwood Project, ein recht junges Unternehmen aus Dänemark, wurde 2014 gegründet und hat als kleinen Team mit der Entwicklung seines ersten Titels "Wartile" begonnen. Anfang 2016 wurde eine Finanzierung des Projektes über die Crowdfunding Plattform Kickstarter gestartet. Die Projektfinanzierung wurde aber bis zum Ende der Laufzeit nicht erreicht, so dass die Kampagne leider beendet werden musste.
Ungefähr ein Jahr später verkündete der Entwickler den Start des Spiels als Early Access Titel auf Steam. Nun erscheint der Titel endlich auch für PS4 und Xbox One – Eine gute Gelegenheit mal einen genaueren Blick darauf zu werfen…
Nach der Installation des ca. 8 GB großen Spiels wird man bereits sehr atmosphärisch begrüßt: Ein Wikinger, Hakon Goldmähne, sitzt einsam an einem Lagerfeuer – auf einem mit Hexfeldern (Sechseckraster) versehenen Spielbrett. Aus sicherer Quelle weiß ich, er wird dort nicht lange alleine sitzen. Doch worum geht es genau?
Sechs Männer* und ein Boot
Wartile ist eine sehr interessante Mischung aus Strategiespiel, Tabletop und Rollenspiel. Damit werden direkt mehrere Leidenschaften angesprochen und auch ich kann nicht abstreiten mit einer bisher unbegründeten Euphorie an diesen Test gegangen zu sein.
Auf verschiedenen, dreidimensionalen Dioramen, welche als sogenannte “Battle Maps” bezeichnet werden, zieht man in Echtzeit seine Wikinger über den Spielplan. Diese Figuren sind auch optisch an klassische Tabletopfiguren angelehnt – inklusive ihrer runden Base auf der sie befestigt sind. Über einen Cooldown-Effekt und die Möglichkeit das Spielgeschehen zu verlangsamen, wird eine Art Rundenstrategie erreicht, ohne dabei die Dynamik des Spiels gänzlich herauszunehmen.
Nach dem übersichtlichen Menü, untermalt von gediegener, orchestraler Musik mit Streichern und Gesang, führt uns ein englischer Erzähler in die Geschichte ein. Die Texte bzw. Untertitel des Spiel sind aber komplett in deutsch gehalten.
In dem Dorf der Wikinger hat scheinbar eine fürchterliche Seuche gewütet. In dieser ersten Mission, aber auch im weiteren Verlauf werden neue Funktionen als übersichtliche Tutorial Elemente eingeblendet und führen uns Schritt für Schritt in die Spielmechanik ein. Nachdem wir einem Toten die letzte Ehre erwiesen und seinen Körper verbrannt haben, schnappen wir uns eine Ziege als Opfergabe und machen uns auf den Weg. Ob wir die Götter milde stimmen können?
* es sind natürlich auch Frauen dabei
Gameplay & Steuerung
Zwischen den Missionen befinden wir uns im Menü und blicken auf eine große Karte, wo alle aktuell vorhandenen Quests angezeigt werden. Neben der Questkarte gibt es die Möglichkeit neue Wikinger anzuwerben und auszurüsten, dem Händler einen Besuch abzustatten oder die Kampfkarten für unsere nächste Mission auszuwählen.
Insgesamt stehen fünf weitere Recken zur Verfügung, welche uns im Kampf unterstützen können. Das nötige Kleingeld vorausgesetzt, ergänzen Sie gerne und sinnvoll unsere Mannschaft. Durch die zusätzlichen Spielfiguren werden klassische Rollen besetzt, wie man sie gut aus anderen Rollenspielen kennt. So können wir neben einem Speerträger, auch eine Bogenschützin oder einen Barbaren gewinnen. Da sich alle Helden anhand ihrer Werte unterscheiden und teilweise auch unterschiedliche Angriffsreichweiten haben, kommt hier schnell der strategisch, planerische Ansatz zum Tragen. Die einzelnen Quests geben nämlich vor, wie viele Wikinger wir mit auf unser Boot nehmen dürfen. Da muss man dann schon abwägen und entscheiden wie die optimale Mannschaft für den nächsten Kampf aussehen könnte.
Hinzu kommt, dass sich die Spielfiguren durch Kampferfahrung verbessern lassen und mit unterschiedlichen Waffen und Rüstungen ausgestattet werden können. Zusätzlich kann man sie durch die Zuweisung von “Kampf Tokens” oder “Kampfkarten” zusätzlich verbessern.
Die Karten sind hierbei ein nicht unwesentliches Element und finden sich als eine Art “kleines Deckbuilding” im Spiel wieder. Jede Figur kann aus einer von bis zu drei persönlichen Karten auswählen und wir wählen fünf weitere Karten für die Gruppe aus. Dabei stehen nicht alle Karten von Anfang an zur Verfügung. Neue Karten werden während der Missionen freigeschaltet und können dann in Form von Fähigkeiten, Zaubern oder Objekten eingesetzt werden. Dabei haben auch diese entweder einen Cooldown-Effekt und müssen sich wieder aufladen oder sie können nur durch das Bezahlen mit “Kampf-Punkten” ausgespielt werden.
Kampfpunkte bekommt man z.B, durch das Besiegen von Gegnern und dem Erfüllen von Aufgaben in der Mission. Es lohnt sich daher genau zu überlegen, welche Karten mit den Kampf-Punkten ausgespielt werden, da sich diese deutlich in ihren Kosten unterscheiden.
Die einzelnen Quests beginnen mit einer kurzen, erzählerischen Einleitung. Nach Abschluss der Quest gibt es eine genaue Aufstellung darüber, wie lange für die Mission gebraucht wurde, wie viele Gegner besiegt und welche Schätze gefunden wurden.
Auch wenn es zwischen den Missionen immer mal wieder kleine, statische Zwischensequenzen gibt, so ist die Hintergrundgeschichte generell doch eher nur schmuckes Beiwerk.
Die Steuerung ist recht einfach gehalten. Man wählt eine der Figuren aus und definiert wohin sie sich bewegen soll. Danach läuft der Cooldown-Zähler herunter und man kann die Figur erneut bewegen oder agieren lassen. Schön dabei ist, dass eine weitere Bewegung durchaus noch während der Cooldown-Phase möglich ist – dann aber noch nicht mit der maximalen Bewegungsreichweite. Als unterstützende Funktion gibt es außerdem die Möglichkeit alle anderen Figuren einer Bewegung folgen zu lassen – also eine Art Gruppenbewegung. Leider funktioniert das in der Praxis nicht immer so gut, da die Wegfindungsroutinen sehr eigenwillig sind. Schnell macht hier jeder Held sein eigenes Ding, so als hätte einer gebrüllt “Schnell, verteilt Euch.” Das ist mitunter ziemlich anstrengend und macht so manche Strategie zunichte.
Während der Mission kann die Kamera bis zu einem bestimmten Grad gezoomt und gedreht werden. Nach ca. 6 Stunden habe ich dann auch herausgefunden, dass man sich über das Pause-Menü ganz frei mit der Kamera bewegen kann, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Und ich wollte mich schon beschweren...
Die Kampf-Dioramen erstrecken sich über verschiedene Höhenstufen, welche durchaus eine Relevanz für den Kampf haben. Wenn ein Held in eine definierte Zone um einen Gegner eintritt, wird dieser aktiv und geht zum Kampf über. Die meisten Gegner sind aber erstmal stationär, bis man sich ihnen nähert – es gibt hier nur wenige Ausnahmen. Während man seine Bewegung plant, wird aber optisch hervorgehoben, ob man sich damit in die Wohlfühlzone eines Schergen bewegen würde.
Während der Bewegung über das Spielfeld kann man Fallen auslösen, Kisten plündern oder Gegenstände aufnehmen. Durch markierte Durchgangsfelder kann man auf andere Teil der Karte gelangen. Mitunter führt dieser Weg auch in das Innere von Gebäuden, Kellern oder Höhlen.
Ich habe alle Battle Maps bereist und nach ca. 13 Spielstunden die Seuche aus der Welt geschafft. Man hat aber immer noch die Möglichkeit weiter zu spielen. Die einzelnen Quests gibt es nämlich in drei Schwierigkeitsstufen, welche an den Ruhm der Gruppe gekoppelt sind. So ist es zwischendurch auch notwendig die gleiche Quest nochmal zu spielen, um die Gruppe etwas hoch zu leveln und dadurch den Ruhm zu erhöhen.
Grafik & Sound
Die Grafik der dreidimensionalen Dioramen, welche als Spielbrett für die jeweiligen Quests verwendet werden, sehen wirklich klasse aus. Hier und da unterstreichen kleinere Animationen die Stimmung und tragen sehr zu der tollen Atmosphäre bei. Dabei sind die einzelnen Level auch optisch sehr abwechslungsreich gestaltet. Durch das Zoomen und Drehen der Kamera und die Tatsache, dass das Sichtfeld doch immer etwas eingeschränkt ist, wird der explorative Abenteueransatz sehr schön betont. Das Ganze führt zu vorsichtigem Herantasten in dunklen Wäldern, eisigen Grotten oder finsteren Höhlen.
Die Figuren selbst sind schön gestaltet, können aber nicht ganz mit dem detailreichen Levelaufbau mithalten. Außerdem sind sie teilweise schwer zu unterscheiden, gerade wenn die Kamera stärker herausgezoomt ist. Da passiert es schnell, dass man im Eifer des Gefechtes die falsche Figur in die erste Reihe stellt. Da habe ich mir schnell angewöhnt meine Nahkämpfer mit diesen lustigen Kürbis-Helmen auszustatten, um sie besser identifizieren zu können.
Die musikalische Untermalung inklusive der Soundeffekte hat mich wirklich begeistert. Das fängt schon im Startmenü mit dem Lagerfeuer an. Damit haben die Entwickler mich direkt in ihren Bann gezogen. Generell wird eine wirklich stimmungsvolle Atmosphäre geschaffen, welche sich super mit den Dioramen zusammenfügt. Gerade die späteren Level setzen Soundeffekte und Musik sehr gut ein, um die Dynamik des Spiel anzuheizen oder auch mal für leichte Panik zu sorgen.
Fazit
Wartile vereint ein interessantes Konzept mit einer optisch ansprechenden Umsetzung. Das Spiel erinnert dabei stark an eine Mischung aus Tabletop und Brettspiel und vereint Genres wie Rollen- und Strategiespiel zu einem sehr unterhaltsamen Gesamtwerk.
Die Kombination der dreidimensionalen Karte mit unterschiedlichen Höhenstufen ist optisch sehr ansprechend und strategisch vorteilhaft einsetzbar. Und auch wenn die Spielmechanik für sich betrachtet sehr einfach ist, bringt sie doch genug Aspekte mit, um auch nach ein paar Stunden noch zu motivieren.
Während der einzelnen Missionen wird dabei das Rad nicht neu erfunden, kann aber doch mit 2-3 netten Varianten begeistern. So müssen wir in einem Level mal mehrere Gegnerwellen zurückschlagen – wie man es aus anderen Spielen kennt. Oder in einer anderen Quest müssen wir vermeiden Alarm auszulösen, schleichen uns durch ein schlafendes Lager und versuchen die einzelnen Gegner so schnell wie möglich zu besiegen, bevor sie Verstärkung rufen.
Es gibt aber auch einige Punkte, die mir nicht so gut gefallen haben und die man durchaus noch etwas hätte optimieren können. Die Hintergrundgeschichte ist, wie gesagt, kein Meilenstein und plätschert so nebenher – aber das hat mich nicht sonderlich gestört. Was dahingehend anstrengend war, ist die Wegfindung der Gruppenbewegung – das hat oft dazu geführt, dass ich die Helden dann lieber einzeln gesteuert habe.
Und die Übersicht des Händlers, wenn es darum geht Gegenstände zu kaufen oder verkaufen, ist leider sehr unübersichtlich geraten. Aber das sind alles Dinge, die man noch nachjustieren könnte.
Um es auf den Punkt zu bringen: Wenn aus geplanten 2-3 Stunden dann doch auf einmal 5 Stunden werden, nur weil man die eine Quest doch noch schnell abschließen möchte – dann hat das Spiel schon einiges richtig gemacht.
Pro
- Grafisch beeindruckende Dioramen als Spielfläche
- Atmosphärische Soundkulisse
- Tolle Kombination verschiedener Genres
- Schöne Mischung aus Echtzeit und rundenbasierten Kämpfen
- Angenehmer Schwierigkeitsgrad auch für Gelegenheitsspieler
Contra
- Automatische Wegfindung funktioniert nicht immer
- Spielfiguren während des Kampfes teilweise schwer zu unterscheiden
- Texte auf Karten zum Teil wirklich sehr klein
- Schlechte Umsetzung des Händlermenüs
Wertung
8.0 Gut
Kaufempfehlung
80%Sehr empfehlenswert
Getestet wurde Wartile auf Xbox One von Leif Langsdorf. Das Spiel lag uns zum Zeitpunkt von unserem Test in Version 1.35.103.0 vor. Das Test Exemplar / der Review Code für Wartile wurde uns von Deck13 kostenlos zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!