Review

Wo Long: Fallen Dynasty · Test

Veröffentlicht am 08.03.2023 von Tobias Creter

Titelbild von Wo Long: Fallen Dynasty (PC, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series)

Neues Soulslike vom Nioh Entwickler Team NINJA

Am 3. März war es endlich so weit, das neueste Werk von Team NINJA ist erschienen. Begleitet von einer Demo, in der sich interessierte Spieler vorab einen ersten Eindruck von Wo Long: Fallen Dynasty machen konnten. Ich habe in den letzten Tagen das komplette Spiel über 50 Stunden intensiv für euch getestet, habe dabei alle Waffentypen ausprobiert, mehrfach den Charakter umgestaltet, knapp 3.000 Gegner getötet, alle Haupt- und Nebenquests erledigt und bin dabei insgesamt über 200 Mal gestorben.

Um schonmal kurz vorweg zu greifen: Ich liebe Wo Long: Fallen Dynasty, auch wenn es nicht perfekt ist. Aber Genaueres erfahrt ihr in diesem Test. Wenn ihr aktuell auf der Suche nach einem neuen AAA Soulslike seid und auch Sekiro mochtet, dann solltet ihr definitiv weiterlesen.

Screenshot von Wo Long: Fallen Dynasty

Die Chroniken der Drei Reiche

Die Handlung von Wo Long basiert lose auf dem historischen Werk "Die Chroniken der Drei Reiche". Wir befinden uns also in China zur Zeit von A.D. 180 bis A.D. 280. Die historischen Berichte über die Geschichte Chinas wurden fürs Spiel mit Volkslegenden und reichlich Fantasy aufgepeppt. So gibt es hier ein Elixier, das vielfältige Effekte hat und übermenschliche Kräfte verleiht. Bei unsachgemäßer Anwendung entfesselt es eine überwältigende dämonische Macht, die Menschen in Monster verwandelt. Genau das ist hier auch das Problem, denn diese Macht ist in die falschen Hände gefallen...

Für eine solide Rahmenhandlung ist das durchaus ausreichend und die Story wird auch in zahlreichen aufwändigen Zwischensequenzen erzählt. Zudem gibt es unzählige Infos in Schriftform, die man während dem Durchspielen freischaltet. Wer also tief in die Lore einsteigen will, bekommt hier ausreichend Futter.

Screenshot von Wo Long: Fallen Dynasty

Die Moral von der Geschicht...

Eine sehr wichtige Neuerung in Wo Long ist der Moralrang, der immer als Zahl über den Köpfen der Gegner zu sehen ist. Auch man selbst hat einen Moralrang, der in jedem Level erneut bei Null startet und bis max. 25 geht. So kann man nicht nur gut abschätzen, wie stark der Feind in etwa ist, man kann auch bewusst das Risiko eingehen einen Gegner mit höherem Rang zu bekämpfen und wird beim Sieg mit einer größeren Steigerung der eigenen Moral belohnt. Doch vorsicht, wenn ihr getötet werden steigt im Umkehrschluss auch der Rang eures Bezwingers.

Soulstypisch verliert man dann auch noch einen großen Teil der Erfahrung (Ki) und wird zum letzten Checkpoint transportiert. Auch bei Wo Long hat man die Möglichkeit, sich die verlorenen Erfahrungspunkte, sowie den Moralrang zurück zu holen. Doch hierzu muss man immer eine erfolgreiche Rache vollführen und kann den Kram nicht einfach vom Boden einsammeln. An den Checkpoints, hier durch Aufstellen einer Standarte, erhöht sich der Moralrang, alle Heilungsflaschen werden wieder gefüllt und man kann unter anderem Upgrades durchführen, Zauber zuweisen und die Schnellreise nutzen. Zusätzlich gibt es noch teilweise gut versteckte Markierungsflaggen, die einfach nur eure Standhaftigkeit um einen Punkt erhöhen, d.h. die Moral kann in diesem Level nicht mehr unter den erreichten Wert fallen.

Durch diese geniale System wird der Spieler dazu ermutigt sich in allen Levels gut umzusehen, um vor dem Betreten der Boss-Arena einen möglichst hohen Moralrang zu erreichen. Sinnvoll ist das ohnehin, da die besten Gegenstände und Materialien meist am Besten versteckt sind. Kleiner Tipp bei schweren Gegnern: Einfach mehrfach ein paar kleinere Feinde töten und wiederholt am Checkpoint rasten bis die Moral hoch genug ist. Achtet auch immer darauf, dass manche Gegner miteinander verbunden sind. Tötet man einen der so verbundenen Feinde, so sinkt die Moral im ganzen Team.

Screenshot von Wo Long: Fallen Dynasty

Gameplay & Steuerung

Nach dem stimmungsvollen Intro-Video kann man sich im sehr umfangreichen Editor einen Charakter erstellen. Tobt euch ruhig aus, ihr könnt das Aussehen später beliebig oft verändern. Eine Charakterklasse gibt es bei Wo Long nicht, man kann aber durchaus selbst bestimmen, welche der fünf Attribute man hochlevelt. Hier sind es aber nicht die üblichen Charakterzüge, sondern die fünf Elemente Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser. Jedes davon ändert verschiedene Attribute, wie Angriffskraft, Verteidigung, Wille oder Beweglichkeit. Klingt erstmal verwirrend, man bekommt das aber immer sehr präzise angezeigt. Da Waffen und Zauber immer bestimmte Elemente als Bonus haben, sollte man schon darauf achten, welchen Spielstil man anstrebt und passend dazu die Upgrades durchführen. Auch die Zauber sind in diese fünf Elemente unterteilt und haben je einen eigenen Skilltree. Die vielfältigen Zauber sollten für jeden Spieler etwas Passendes dabei haben und laden zum Experimentieren ein.

Das schnelle taktische Kampfsystem ist bei Wo Long viel näher an Sekiro als an den Souls-Spielen. Es gibt keine Ausdauer, nur einen Willen, der sowohl positiv als auch negativ sein kann. Ein positiver Wille befähigt zu besonders verheerenden Kampfkunst-Angriffen und bei maximalem negativen Willen ist man kurz bewegungsunfähig. Diese spezielle Mechanik muss man unbedingt verinnerlichen, denn so lassen sich die durchaus zähen Gegner und Bosse leichter besiegen. Mit schwachen Schlägen baut man den negativen Willen ab bzw. positiven Willen auf und kann dann mit einem starken Willensangriff dem Feind ein gutes Stück seines Willensbalkens komplett wegnehmen. Das erleichtert es den Willen des Gegners zu brechen und dann zu einem gewaltigen Schlag anzusetzen. Wichtig ist hier auch das Blocken und Kontern, denn anders als in anderen Soulslikes ist die Beherrschung des Konters nicht optional, sondern essentiell. Übrigens kann man immer Blocken gedrückt halten und dabei versuchen im richtigen Moment, kurz vor Aufprall des Angriffs, zu kontern. So ist man immer noch geschützt, auch wenn der Konter mal nicht klappt.

Die dringende Notwendigkeit der Konter wird einem spätestens beim ersten Bosskampf klar, der eine unnötig hohe Hürde im Spiel darstellt. Die meisten anderen Bosse sind im Vergleich wesentlich leichter zu bezwingen, zumal man nach dem ersten Boss auch fast immer bis zu zwei optionale NPCs oder Online Begleiter rufen kann, die manche Boss-Fights eigentlich schon zu einfach machen. Auch in den Levels kann man diese Begleiter an jeder Standarte rufen, auch in Kombination, also 1 NPC und ein anderer Spieler. So lässt sich fast das komplette Spiel wenn man möchte auch mit bis zu zwei Freunden spielen.

Im Grunde kämpft man sich durch 7 Kapitel, knapp 20 Hauptmissionen und noch mehr Nebenmissionen. Die Hauptmissionen finden eigentlich immer in unterschiedlichen Gebieten statt, die sich vom Leveldesign angenehm unterscheiden, immer viele versteckte Geheimnisse und diverse Abkürzungen bereithalten. Im Grunde sind die Levels linear aber man hat durchaus mehrere mögliche Wege, um zum Ziel zu kommen. Die Nebenmissionen sind ungefähr zur Hälfte Arena-Kämpfe und Abschnitte aus der jeweiligen Hauptmission mit anderen Gegnerpositionen und besonderem Loot. Von Letzterem gibt es übrigens mehr als genug, so dass die Inventargrenze von 500 schnell erreicht ist und dann nerviges Inventarmanagement nötig wird. Per Schnellreise kann man von jedem Checkpoint ins Dorf, um dort die Schmiedin für Upgrades der Waffen und Rüstungen, sowie An- und Verkauf zu konsultieren.

Nach dem Abschluss der Hauptkampagne wird der neue Schwierigkeitsgrad „Aufsteigender Drache“ freigeschaltet. Dadurch steigt der maximale Moralrang von Gegnern und man kann mächtigere Waffen mit 5 Sternen bekommen, die zudem auch neue Spezialeffekte haben. Außerdem werden noch 4 weitere Nebenmissionen verfügbar. Außerdem gibt es natürlich auch ein New Game+ für die Wiederholungstäter unter euch.

Die Steuerung von Wo Long ist relativ komplex, eröffnet dadurch aber auch sehr viele Möglichkeiten. Zwar bekommt man alles kurz und gut erklärt aber in hektischen Situationen kann es bei den vielen Tasten schnell stressig werden. Trotzdem finde ich die Tastenbelegung gelungen und hatte nie das Gefühl, dass man daran etwas ändern müsste.

Screenshot von Wo Long: Fallen Dynasty

Grafik & Sound

Auf dem PC scheint es noch massive Performance-Probleme zu geben. Auf der PlayStation 5 lief das Spiel komplett ohne Abstürze oder nervige Bugs. Lediglich die Framerate geht vereinzelt in die Knie und in einigen sehr großen Abschnitten werden Objekte zu spät geladen und manche Gegner sind nur in einem begrenzten Abstand sichtbar. Als das zum ersten Mal aufgetreten ist dachte ich zuerst es sei ein Feature aber spätestens als für mich völlig unsichtbare Bogenschützen das Feuer eröffneten, war klar, dass es ein Bug ist. Auch der Day 1 Patch brachte hier noch keine Besserung. Ansonsten läuft Wo Long: Fallen Dynasty aber rund und sieht grafisch auch gut aus. Das gilt im Besonderen für die abwechslungsreichen Umgebungen bei denen viel Liebe zum Detail zu erkennen ist. Die Zwischensequenzen und Nahaufnahmen der unterschiedlichen Charaktere konnten mich durchaus begeistern, auch wenn hier keine neuen Meilensteine in der Spielgrafik erreicht werden. Das Design der Gegner und vor Allem der Bosse ist kreativ und abwechslungsreich, auch wenn die Gegnervielfalt etwas schwächelt.

Eine deutsche Sprachausgabe ist nicht vorhanden, dafür gibt es englische, japanische und chinesische Sprache. Deutsche Untertitel sind vorhanden und auch der komplette Text im Spiel ist wahlweise auf Deutsch verfügbar. Der Soundtrack hat mich in allen Levels und Situationen passend begleitet und wechselt zwischen eher ruhigen Musikstücken und orchestraler Brachialität je nach Spielgeschehen. Die Soundeffekte sind auf Top-Niveau, alle Waffen und Treffer klingen schön wuchtig, Gegnerattacken, Zauber und ähnliches werden durch entsprechende Sounds angekündigt.

Screenshot von Wo Long: Fallen Dynasty

Fazit

Endlich wieder ein richtig gutes Soulslike. Wo Long: Fallen Dynasty ergänzt das actionreiche Gameplay mit frischen Ideen, wie dem Moralrang und dem komplexen Willens-System und bringt dadurch eine große taktische Tiefe ins Spiel. Allerdings fallen die Spezialangriffe (Kampfkünste) für meinen Geschmack etwas zu schwach aus. Fast immer werden die Angriffe problemlos vom Gegner unterbrochen und verpuffen so ohne einen echten Effekt zu haben. Dabei sind die Kampfkünste wirklich vielfältig und es macht Spaß diese bei neu gefundenen Waffen auszuprobieren, schade nur, dass der Impact so gering ist. Die Kämpfe sind fordernd, schnell und unglaublich befriedigend, insbesondere wenn die Konter sitzen. Dabei ist der Schwierigkeitsgrad noch relativ moderat, solange man alle zur Verfügung stehenden Mittel und Mechaniken ausnutzt. Wer es gerne Bockschwer mag, der kann ohne Begleiter spielen und zieht so die Aufmerksamkeit aller Gegner nur auf sich. Und nach Abschluss der Kampagne kann man sich dann ja noch im Neuen Spiel+ und im Schwierigkeitsgrad „Aufsteigender Drache“ austoben. Die Nebenaufgaben sind zwar inhaltlich etwas langweilig aber machen trotzdem Spaß und sind eine gute Möglichkeit zum EP und Ausrüstung farmen.

Mir persönlich gefällt es sehr gut, dass man eigentlich immer die Wahl hat, ob man frontal auf die Gegner zurennt oder sich nach alternativen Wegen umsieht und dann unbemerkt aus dem Hinterhalt zuschlägt. Theoretisch kann man an den meisten Feinden auch einfach vorbeirennen aber dann dürfte man es beim Boss-Kampf durch den niedrigen Moralrang richtig schwer haben.

Es gibt massig aufwändig inszenierte Zwischensequenzen und die Charaktere sehen besonders bei Nahaufnahmen extrem gut aus. Die durchaus interessante Story wird in den Videos und über Texte gut erzählt und die Bosse sind extrem unterschiedlich. Es könnte gerne ein paar Gegnertypen mehr geben, hier hat man recht schnell alles schon mal gesehen. Qualitativ sind die Gegner aber wirklich gut und erfordern immer andere Taktiken. Schwierig wird es vor allem dann, wenn viele verschiedene Gegner gleichzeitig auf einen zustürmen. Die Progression ist insgesamt sehr gut und motivierend, der Schwierigkeitsgrad steigt recht linear an, bis auf wenige unschöne Spitzen. Der erste Boss ist eine übertrieben große Hürde für neue Spieler, zumal man hier noch nicht die Möglichkeit hat sich Unterstützung anzufordern.

Dafür sind die Checkpoints wirklich fair in den Levels verteilt. Selbst wenn man mal stirbt, und das wird sich kaum vermeiden lassen, ist der Weg zurück zur Todesstelle nie weit entfernt. Im Optimalfall hat man zuvor vielleicht noch eine Abkürzung freigeschaltet, dann geht es noch schneller.

Die Umgebung ist wunderschön, mit wirklich tollen Licht-Stimmungen, überall sind kleine Animationen und liebevolle Details zu sehen. Was die Kreativität und Raffinesse beim Leveldesign angeht kommt Wo Long: Fallen Dynasty aber nicht an die Originale von FROMSOFTWARE heran. Das Spiel bietet außerdem viele Komfort-Funktionen, wie die Möglichkeit bis zu 50 Ausrüstungs-Sets zu speichern, beliebig oft das Aussehen zu verändern oder kostenlos alle Attribute neu zu verteilen, um so mit verschiedenen Builds zu experimentieren. Schade nur, dass im Inventar wichtige Funktionen fehlen, wie das Markieren von Duplikaten, von denen sich Unmengen ansammeln oder der direkte 1:1 Vergleich von Waffen und Rüstungen. Auch könnten die Rüstungen und Waffenskins mehr Vielfalt vertragen, wenn ich das beispielsweise mit Elden Ring vergleiche, wo es sich wirklich immer lohnt außergewöhnliche Ausrüstung zu suchen.

Doch all diese winzig kleinen Kritikpunkte schmälern den Spielspaß aus meiner Sicht kaum und so reiht sich Wo Long: Fallen Dynasty ganz weit oben in der Top 10 meiner Lieblings-Soulslikes ein. Der Spielfluss ist einfach extrem gut und jeder Konter aufs Neue sehr befriedigend. An alle Souls-Fans: Gönnt euch dieses Spiel, ihr bekommt reichlich Action und Spielstunden für euer Geld.

Pro

  • viele aufwändige Zwischensequenzen
  • schnelles und vielseitiges Kampfsystem
  • gelungenes Moralrang-System
  • viel zu Entdecken und Sammeln
  • sehr faire Checkpoints
  • abwechslungsreiches Leveldesign
  • toll inszenierte Boss-Kämpfe
  • extrem befriedigende Konter
  • fast komplett im Online-Koop spielbar

Contra

  • etwas wenig Gegnervielfalt
  • unnötig hohe Einstiegshürde (1. Boss)
  • aktuell noch kleine Performanceprobleme
  • nerviges Inventarmanagement
  • zu wenig optische Unterschiede bei Waffen und Rüstungen
  • zu schwache Kampfkünste

Wertung

Testergebnis: 85%

8.5 Sehr gut

Kaufempfehlung

85% Kaufempfehlung

85%Sehr empfehlenswert

Getestet wurde Wo Long: Fallen Dynasty auf PS5 von Tobias Creter. Das Spiel lag uns zum Zeitpunkt von unserem Test in Version 1.001.000 vor. Das Test Exemplar / der Review Code für Wo Long: Fallen Dynasty wurde uns von Plaion (Koch Media) kostenlos zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!